Dazwischen befanden wir uns. Zwei Wochen lang bauten wir fast ausschließlich einen sogenannten Cattle Yard, also eine Anlage, in der Rinder sortiert, gewogen und dann über eine Rampe in einen LKW geladen werden können. Diese besteht aus vielen einbetonierten Pfosten mit fünf Querstreben, einem betonierten Rundgang zur Rampe, der um einen überdachten Innenhof führt und vielen Toren, um das Vieh auf jede erdenkliche Art zu lenken. Also sehr viel Metall, das geschnitten, geschweißt, gebürstet und lackiert werden muss. Und das alles in einer Wolke aus lästigen Fliegen. Nicht die schüchterne Sorte aus Europa, die bei einem Wedeln der Hand das Weite sucht, sondern richtige Kletten, die ständig versuchen, in die Augen, Ohren oder Nasenlöcher zu kriechen. Den Mund sollte man immer geschlossen halten und nicht schnell durch die Nase einatmen!
Also keine leichte Aufgabe und bei 30 Grad echt anstrengend. Aber die zwei Chefs - keine Farmbesitzer, sondern beide selbstständig, die sich bei diesem Projekt die Verantwortung teilten - waren nett und scheuchten uns nicht. Man arbeitete in dem Tempo, das man eben schaffte, und trank zwischendurch viel Wasser. Die Jungs hatten zudem auch immer Zeit, während der Arbeit zu rauchen.
Wir wohnten in einem kleinen Farmhaus unweit der Baustelle, das man über einen langen unebenen Schotterweg durch Rinderweiden erreichte. Kein Telefon oder Fernsehen und kaum Internetempfang, aber dafür mitten in der Natur. Für uns sechs Arbeiter gab es vier Schlafzimmer mit Klimaanlage - eins teilten sich die Chefs Cam (Cameron) und Doro (Andrew Dorovan), eins hatte der Schweißer Mick (Michael), eins Nez (Inez), die auf einer Farm aufgewachsen ist, und das Durchgangszimmer hatten Martin und ich. So mussten wir wenigsten nie einen Wecker stellen, wenn morgens um fünf die ersten aufstanden und Kaffee kochten... Dann krochen nach und nach alle aus den Betten, um sich fertig zu machen. Um sechs war Abfahrt. Entweder Nez oder ich blieben noch länger, um die Sandwiches für das Mittagessen und das Frühstück vorzubereiten, ein wenig zu putzen und die Kühltruhen mit Getränkedosen aufzufüllen. War man schnell, hatte man noch ein wenig Zeit, um der Sonne beim Aufgehen und Känguruhs beim Grasen zuzuschauen. Denn die Sandwiches fürs Frühstück mussten erst um halb neun so heiß wie möglich aus dem Sandwichtoaster bei den Jungs ankommen. Mit dem Quad schnell die ca. drei Kilometer zum Yard gedüst und erstmal gemeinsam frühstücken. Dann bekam man oft die leichten Aufgaben wie Streben schneiden, Bobcat fahren, Schweißnähte abbürsten oder mit der Sprühpistole streichen. Die Männer machten das Anstrengende. Nach dem Mittagessen war die Hitze am schlimmsten und man war froh, als endlich Feierabend war. Wieder hatten wir zwei Frauen einen Vorteil: Abwechselnd durften wir schon um halb vier zurück zur Farm, um das Abendessen vorzubereiten. Was, war uns selbst überlassen. Solange viel Fleisch dabei war, waren alle glücklich. Kamen dann alle um sechs zurück, trank man zusammen ein oder mehrere Bierchen und quatschte, bevor es recht schnell nach dem Essen um acht ins Bettchen ging.
Zum Ende der zwei Wochen hin kam eine zweite Aufgabe hinzu: Fencing, also Zaunbau. Hierzu wurden erst die Endpunkte eines jeden Zauns in den Boden gehauen und mit angeschweißten Streben abgestützt. Dann wurde mit Hilfe des Jeeps mit einem Anhänger, auf dem sich vier Rollen Stacheldraht befanden, die erste Bahn Draht ausgelegt. Ganz einfach: Schritttempo fahren und gucken, das hinten der Draht nicht reißt oder die Rolle leer ist. An dieser Richtschnur wurden dann dünne Stahlpfosten mit einem Pressluftgerät (auch auf dem Anhänger) in den Boden gerammt. Dann werden die restlichen Bahnen Draht ausgelegt, bevor der aufwendigste Teil folgt: Mit kleinen vorgeformten Metallstücken muss der Stacheldraht an die Pfosten gebunden werden. Handschuhe sind immer Pflicht, nur helfen die hier meisst nicht, denn wenn man mit dem kleinen Werkzeug vom Draht abrutscht, hängt man im Idealfall mit dem Ärmel im Zaun, ansonsten auch oft mit der Haut. Nach ein paar Stunden Anbinden hatte jeder ein paar Schnittwunden, denen aber im allgemeinen keine Beachtung geschenkt wurden. Da musste schon schlimmeres passieren als diese "kleinen Kratzer".
Dann sollte die erste Pausenwoche folgen - nach zwei Wochen nonstop Arbeit gibt es eine Woche Pause. Genauso bezahlt! Jedoch schlug leider das Wetter um und es regnete in den letzten Tagen fast täglich. Kein Schauer, sondern richtige Gewitter mit sturmflutartigen Regengüssen. Und laut Vorhersage sollte es die kommenden drei Wochen so bleiben. Also beschlossen die Chefs, das es zu teuer ist, uns fürs Warten im Regen zu bezahlen. Andere Projekte sind ihnen erstmal wichtiger und sie schickten uns alle nach Hause. So wurden aus zwei Monaten gerade mal zwei Wochen. Aber schlecht bezahlt war es nicht: nach Steuern hatten wir pro Person von den 150$ am Tag dann nach zwei Wochen insgesamt knapp 1300,-$ in der Tasche. Das sollte erstmal für die nächsten Wochen reichen. :-) Ausgegeben haben wir dafür auch nicht viel. Nur je 20,-$ für einen Hut, 29,-$ für Stahlkappenschuhe und ein paar Dollar für Hemden und Jeans aus dem lokalen Op-Shop (Second Hand). Und am letzten Abend markierte uns Cam, der schon ganz Australien gesehen hat, ganz viele gute Stellen zum Anschauen und Arbeiten in unsere Karte und gab uns seine Nummer. Wir sollen ihn auf jeden Fall anrufen, wenn wir in den Norden kommen und er beschafft uns Arbeit!
Martin und ich blieben noch zwei Nächte länger im nun leeren Haus und kurierten unseren Muskelkater aus. Dann füllten wir unsere Lebensmittelvorräte mit verderblichen Sachen aus dem Kühlschrank auf - mit ausdrücklicher Erlaubnis! - und machten uns auf den Weg zurück zur Küste und Richtung Süden.
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